The One Thing

Das Buch “The One Thing” von Gary Keller und Jay Papasan (auf deutsch: The One Thing - Die überraschend einfache Wahrheit über außergewöhnlichen Erfolg) ist eine Bereicherung für die vieldiskutierten Themen Zeitmanagement und Produktivität.

Es gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil werden weit verbreitete Annahmen, wie zum Beispiel das Multitasking oder die Work-Life Balance, kritisch unter die Lupe genommen. Der zweite Teil beschreibt die praktische Umsetzung, das heißt, man erfährt wie man «The One Thing » unter allen Aufgaben identifiziert. Im dritten Teil wird der Zusammenhang zwischen Produktivität, Priorität und Lebenszweck erklärt, denn es braucht immer zuerst einen Zweck um Prioritäten richtig festlegen zu können.

Jeder hat die gleiche Menge an Stunden pro Tag zur Verfügung. Wieso hat man aber oft das Gefühl, dass manche Menschen in der gleichen Zeit viel mehr erledigen, als man selbst? Die Antwort liegt in der Fähigkeit, sich auf das Wesentliche zu fokussieren. Das heißt, man muss all die Dinge, die man gerne tun möchte ignorieren und stattdessen sich ausschließlich auf Dinge konzentrieren, die man tun sollte (muss) um das Ziel zu erreichen.

Erfolg baut auf Erfolg auf. Der Dominoeffekt veranschaulicht dieses Prinzip sehr gut. Ein zu Beginn kleiner Dominostein, kann in Folge einen etwas größeren Stein zum Fall bringen. Nimmt man zum Beispiel einen 5 cm hohen Startstein und vergrößert alle Folgesteine um jeweils 50 Prozent, dann hat bereits der 23. Stein die Höhe des Eifelturms und der 31. ist bereits höher als der Everest (siehe Bild).

Eine geometrische Reihe (S. 44 ff.)

Mit dem Erfolg verhält es sich ähnlich. Er wird am besten sequentiell erreicht, indem man zunächst den ersten (kleinen) richtigen Schritt macht, und dann den nächsten usw..

Dass das Prinzip funktioniert, ist schon vielfach bestätigt worden. Unternehmen wie Google oder Apple haben ihren Erfolg darauf aufgebaut, sich zunächst auf eine Sache (=The One Thing) zu konzentrieren. Für Google war es zum Beispiel zu Beginn die «Suche ». Apple konzentrierte sich nacheinander auf Mac, iMac, iTunes, iPods, iPhones etc. Dabei ist klar, dass sich diese eine Sache auf die man sich konzentriert, über die Zeit auch ändern kann.

Es gilt also, diese eine Sache immer wieder zu identifizieren und dann konsequent zu verfolgen. Schritt für Schritt, in Richtung Ziel.

There can only be one most important thing. Many things may be important, but only one can be the most important.
Ross Garber

Sechs irreführende Annahmen

Mythos 1: Alles ist gleich wichtig

Gleichheit ist zwar erstrebenswert, jedoch nicht in allen Bereichen. Oft ist man in der Situation, dass alles gleich dringend und gleich wichtig scheint. Man ist überfordert mit der Situation und fängt an, irgendwie aktiv und beschäftigt zu sein. Aber Aktivität ist nicht gleich Produktivität. Um etwas zu erreichen, braucht es eine klare Vorstellung von den Prioritäten. Wie entscheidet man also jeden Tag, was wirklich wichtig ist und was man als nächstes angehen sollte (= The One Thing)?

The One Thing basiert auf dem Pareto-Prinzip (oder 80 / 20 Regel), bzw. einer erweiterten, extremeren Variante. Das Grundprinzip besagt, dass nur ein kleiner Teil aller Anstrengungen für einen großen Teil des Ergebnisses verantwortlich ist. Mit anderen Worten, nicht alle Aktivitäten sind gleich wichtig.

Die Autoren wenden das Prinzip in weiterer Folge auf die klassische ToDo-Liste an. Reduziert man die Liste mehrfach nach der Pareto-Regel, erhält man als Ergebnis die eine Aufgabe, die uns den größten Schritt in Richtung Ergebnis bringt. Das was am wichtigsten ist, sollte unseren Tag bestimmen. Und sollten wir am Ende des Tages wirklich nur diese eine Aufgabe erledigt haben, dann macht das überhaupt nichts, denn es war die wichtigste des Tages!

Extreme Form des Pareto (S. 39 ff.)

Mythos 2: Multitasking

Wenn wir gemäß Punkt 1 immer mit der wichtigsten Aufgabe beschäftigt sind, welchen Sinn macht es dann, gleichzeitig noch etwas anderes zu tun?

Multitasking is merely the opportunity to srew up more than one thing at a time.
Steve Uzzell

Technisch gesehen, bedeutet Multitasking nicht, dass mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigt werden. Vielmehr wird für jede Aufgabe eine bestimmte Zeiteinheit reserviert und so zwischen den unterschiedlichen Aufgaben hin- und hergeschaltet. Geschieht dies sehr schnell, hat man den Eindruck, die Aufgaben würden gleichzeitig abgearbeitet werden.

Der Mensch eignet sich aber sehr schlecht um zwischen mehreren Aufgaben zu wechseln. Die Aufmerksamkeit wird dadurch ebenfalls auf die unterschiedlichen Aufgaben aufgeteilt und er verliert an Effektivität. Jeder Wechsel kostet zusätzliche Zeit und Energie.

Mythos 3: Diszipliniert leben

Wieviel Disziplin braucht es um etwas zu erreichen? Nicht viel und auf keinen Fall ein diszipliniertes Leben. Der Schlüssel liegt im Aufbau von Gewohnheiten. Wir brauchen gezielte Disziplin während dieser Aufbauphase. Es ist viel wichtiger die richtigen Dinge zu tun, als alle Dinge richtig zu tun.

Beim Aufbau einer Gewohnheit braucht man besonders zu Beginn viel Disziplin. Mit der Zeit nimmt die «Anstrengung» ab und es wird immer einfacher. Eine Studie hat ergeben, dass im Schnitt nach 66 Tagen die Tätigkeiten zu einer Gewohnheit werden (S. 58 ff).

Motivation is what gets you started. Habit is what keeps you going.
Jim Rohn

Mythos 4: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg

Das ist ein Mythos. Der Wille allein ist nicht genug, entscheidend ist auch das Timing. Denn Willenskraft ist nicht auf Kommando abrufbar und sie ist über den Tag unterschiedlich stark. Hinzu kommt, dass die Menge beschränkt ist und die Stärke durch ihren wiederholten Einsatz abnimmt. Durch eingeplante Pausen können wir jedoch den Vorrat wieder auffüllen.

Die wichtigste Aufgabe (The One Thing) sollte man daher immer dann machen, wenn die Willenskraft am größten ist. Diese Zeit muss reserviert und vor Störungen geschützt werden.

Mythos 5: Work-Life Balance

Ein ausgewogenes Leben ist noch lange kein erfolgreiches oder glückliches Leben. Eine Work-Life Balance soll daher nicht als primäres Ziel angesteuert werden. Das Leben ist als Balance-Akt zwischen intensiven und weniger intensiven Phasen zu verstehen. Es ist ein pendeln zwischen Zuständen, die von der «Mitte» abweichen.

Großartiges wird meistens nur dann erreicht, wenn man die Mitte verlässt und sich intensiv mit etwas beschäftigt. Die Kunst liegt dann in der Koordination dieser intensiven Phasen. Intensive Phasen müssen ausbalanciert werden. Zu langes verharren in einem der Extremzustände, kann nicht wieder gutzumachende Schäden anrichten. Aussagen wie, “Ich gebe jetzt Alles und genieße später die Zeit und das Leben” sind ein Glücksspiel mit der Zeit, das man auch verlieren kann. Nicht selten kommt es ganz anders, als man es geplant hat.

Im Privatleben sollte man eher weniger lang in den intensiven, weit von der Mitte abweichenden Zuständen verharren. Kürzere, intensive Phasen sorgen dafür, dass keine Bereiche die einem wichtig sind zu sehr leiden (Freunde, Gesundheit, Familie, etc.).

Im Arbeitsleben jedoch, sollte man längere intensive Phasen in Betracht ziehen. Man muss sich dazu mit dem Gedanken anfreunden, dass gewisse Dinge (jene mit geringerer Priorität) für eine Zeit lang liegen bleiben. Umso wichtiger ist es daher, dass man sich während der intensiven Phasen auf die richtigen Dinge konzentriert.

Imagine life is a game in which you are juggling five balls. The balls are called work, family, health, friends, and integrity. And you're keeping all of them in the air. But one day you finally come to understand that work is a rubber ball. If you drop it, it will bounce back. The other four balls - family, health, friends, integrity - are made of glass. If you drop one of them, it will be irrevocably scuffed, nicked, perhaps even shattered.
James Patterson, Suzanne's Diary for Nicholas
Leben heißt...ausbalancieren (S. 88 ff.)

Und wie sieht es mit der Work-Life Balance aus? Privatleben und Arbeitsleben sind jeweils unterschiedlich zu balancieren (siehe oben). Der Rest hängt von den persönlichen Prioritäten ab. Bezüglich der Arbeit geht es nicht um die Menge der geleisteten Überstunden, sondern um das Verhältnis von fokussierter Arbeitszeit zur restlichen Arbeitszeit. Dort sollte in erster Linie die Optimierung beginnen.

Mythos 6: Big is bad

Sich hohe Ziele zu setzen, wird oft mit «schwierig», «kompliziert» oder «mühselig» gleichgesetzt. Man fühlt sich unter Druck und Stress. Daher setzen wir uns meistens kleinere Ziele, um uns «sicher» zu fühlen. Hier liegt das Problem, denn kleinere Ziele entfachen auch nur kleine Denkmuster innerhalb der selbst (willkürlich) gesetzten Grenzen.

Deine Ziele bestimmen den Rahmen deines Denkens (S. 89 ff.)
What you build today will either empower or restrict you tomorrow. It will either serve as a platform for the next level of your success or as a box, trapping you where you are.
S. 89

Wer sich große Ziele setzt, denkt anders, plant anders und wächst automatisch auf dem Weg zum Ziel. Keiner kennt seine wahren Grenzen, warum also von vornherein einschränken?

Wie findet man “The One Thing” ?

Die richtigen Fragen stellen ist wichtig. Die Fokus-Frage hilft dabei, nicht nur das große Ganze zu finden, sondern auch zu entscheiden, welcher Schritt der nächste sein soll, um sein Ziel zu erreichen:

Die Fokus-Frage. (S. 106 ff.)

Was ist also die eine Sache, die ich machen kann, sodass durch das Erledigen dieser Aufgabe, alles andere einfacher oder unnötig wird?

Der erste Teil der Frage konzentriert sich darauf, diese eine Sache (unter vielen) zu finden, die man wirklich machen kann. Es gibt viele Dinge, die man tun könnte, sollte oder tun möchte, aber diese lenken nur vom Wesentlichen ab. Der zweite Teil der Frage stellt sicher, dass man nicht einfach irgendwas tut, sondern man tut etwas aus einem bestimmten Grund. Und der dritte Teil der Frage konkretisiert diesen Grund: wir tun diese eine Sache, damit alles andere auf dem Weg zum Ziel einfacher oder sogar unnötig wird.

Die Fokus-Frage hilft diesen ersten Dominostein zu finden und sich solange darauf zu konzentrieren, bis er fällt. Weitere Steine (Aufgaben) fallen dadurch leichter oder sogar automatisch.

Die Fokus-Frage kann auf unterschiedliche Bereiche des Lebens angewendet werden. Dies können zum Beispiel die Gesundheit, der Job, die Beziehung oder die Finanzen sein. Sie soll helfen, in allen Bereichen die wichtigsten und relevantesten Dinge zu finden. Die Frage kann auch mit einem Zeithorizont ergänzt werden um eine Richtung vorzugeben. Zum Beispiel: Bezüglich meinen Finanzen, was ist die eine Sache, die ich diesen Monat machen kann, um eine bessere Übersicht zu erhalten, sodass alles andere einfacher oder unnötig wird?

Sich diese Frage zu Beginn jedes Tages zu stellen, sollte zur Gewohnheit werden. Der Tag sollte mit dem Motto beginnen:

Bevor nicht diese eine Sache erledigt ist, ist alles andere eine Ablenkung.

Zweck, Priorität und Produktivität

Der Zweck (Purpose) ist die treibende Kraft um die Prioritäten (Priority) der nötigen Tätigkeiten festzulegen. Das Ergebnis ist Produktivität. Zweck, Priorität und Produktivität stehen in enger Beziehung zueinander, schlussendlich ist aber nur die Produktivität sichtbar (siehe Abbildung).

Produktivität als sichtbares Ergebnis von Zweck und Priorität (S. 134 ff.)

Leben bedeutet eine Reihe von Entscheidungen zu treffen. Dein Lebenszweck oder Lebensinhalt definiert die Prioritäten deiner Handlungen und diese wiederum die Produktivität als Ergebnis. Unser Lebensinhalt bestimmt also was wir machen und was wir erreichen werden. Diesen für sich zu finden ist wichtig, denn nur ein Leben mit Lebensinhalt kann voll gelebt werden und macht glücklich. Lebensinhalt beantwortet die Frage nach dem Warum. Warum tun wir etwas? Warum wollen wir mehr von etwas?

Wer seinen Lebensinhalt gefunden hat, denkt klarer, ist selbstsicherer, trifft Entscheidungen schneller (weil man weiß, was man will), weicht nicht so leicht von seinem Weg ab und ist dadurch im Vorteil. Wer seinen Lebensinhalt gefunden hat, weiß wohin er gehen will.

Wie aber finde ich den Lebensinhalt? Lebensinhalt beantwortet die Frage nach dem Warum. Er ist die treibende Kraft hinter allen Handlungen. Er sorgt für die stabile Basis, von der aus Entscheidungen getroffen werden. Wenn man noch keine Vorstellung von seinem Lebensinhalt hat, kann man damit beginnen sich zu fragen, was einem im Leben wichtig ist. Wer nicht weiß, was einem wichtig ist, kann sich fragen, was er tun würde, wenn er finanziell komplett unabhängig wäre. Wie würde man die Tage füllen, wenn man keinerlei finanzielle Verpflichtungen hätte?

Ziel setzen, bezogen auf das Jetzt

Zweck ohne Priorität ist machtlos. Das Jetzt ist der einzige Moment, in dem wir handeln können. Unsere Handlungen im Jetzt bestimmen, was wir im nächsten Moment erleben. Daher ist die Priorität wichtig, die wir für unsere Handlungen festlegen. Es macht daher Sinn, das für die Zukunft festgelegt Ziel auf einzelne Handlungen zurückzuführen, die bis ins Jetzt zurückreichen. Siehe Abbildung:

Ziele für das Jetzt definieren (S. 150 ff.)

Diese Vorgehensweise sorgt dafür, das der jetzige Moment bzw. die aktuelle Handlung mit allen weiteren Momenten zielführend verknüpft ist. Die Frage “Was muss ich jetzt machen, um in 5 Jahren Ziel X zu erreichen?” funktioniert nicht. Das Ziel liegt zu weit in der Zukunft um die Priorität der Handlung für das Jetzt zu bestimmen.

Zeitmanagement

Ziele gemäß Zweck setzen, Handlungen und Prioritäten festlegen ist schön und gut. Für das erfolgreiche Umsetzen muss aber auch die nötige Zeit reserviert werden. Ist die eine Sache identifiziert, muss diese auch ohne Ablenkungen erledigt werden können. Eine bewährte Methode ist das Time-Blocking.

Zeitblöcke fix reservieren (S. 160 ff.)

Im Kalender werden Zeitblöcke fix vorreserviert, um das Wichtigste des Tages zu erledigen. Alles andere wird um diesen Block herum eingeteilt. Der Zeitblock ist quasi eine Verabredung mit sich selbst.

Wenn man die vorgesehenen Zeitblöcke respektiert, hat man am Ende des Tages ein gutes Gefühl, denn man hat sich die nötige Zeit mit den wichtigsten Aufgaben beschäftigt und sich nicht vom Tagesgeschäft durch den Tag treiben lassen.

Until My ONE Thing Is Done - Everything Else Is A Distraction!
S. 171

Als Faustregel gilt: Der Zeitblock sollte so früh im Tag wie möglich eingeplant werden und man sollte mindestens 4 Stunden pro Tag für “The One Thing” reservieren.

Das Reservieren von Zeitblöcken gilt aber nicht nur für “The One Thing”, sondern auch für den Urlaub. Urlaubszeiten sollten wenn möglich im Voraus geplant werden und die Arbeitsblöcke werden anschließend um die vordefinierten Erholungsblöcke angeordnet. Erholungszeit sollte frühzeitig eingeplant werden, dadurch haben auch andere Arbeitskollegen die Möglichkeit, ihre Pläne darauf abzustimmen.

Ergänzend sollte man ca. 1 Stunde pro Woche für die Planung und das Review fix einrechnen. In dieser Zeit können die Ziele und das Vorankommen analysiert und gegebenenfalls angepasst werden. Ist man auf dem richtigen Weg oder muss was geändert werden?

So make sure every day you do what matters most. When you know what matters most, everything makes sense. When you don't know what matters most, anything makes sense. The best lives aren't led this way.
S. 214

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